Seekajakfahren in der DDR

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Teil 3: Die Boote, die Fahrten und das Fazit

Nahezu ausnahmslos kamen auf den Boddengewässern Pouch-Faltboote als Einer und Zweier zum Einsatz. Auch einige wenige KS-75, ein wegen seiner Schnittigkeit besonders beliebter, aber rarer Faltbootzweier, und Slalom-Faltboote wurden gefahren. In der Regel besaß man zum Faltboot eine Besegelung. In den Siebziger Jahren wurden als Großsegel vor allem Spitzsegel, früher auch Gaffelsegel gesetzt, dazu eine kleine Fock und ein vergrößertes Hecksteuerblatt. Ganz Verwegene hatten noch hinter dem zweiten Sitz einen Besanmast mit Segel montiert. Die Besanschot wurde dann über eine Umlenkrolle am Heck geführt.

Natürlich hatten auch hier die Genossen der Volkspolizei - diesmal der Wasserschutz - einzugreifen, wenn Gefahr im Verzug zu sein schien. Am 29.4.1979 war ich mit meinem Freund Torsten Thiele auf dem Peenestrom von Wolgast Richtung Greifswalder Bodden unterwegs. Unser Zweier fuhr unter Segeln und wurde durch ein Polizeiboot angehalten. Mit der Begründung, dass wir keine Seitenschwerter montiert hätten, mussten wir abtakeln.

Wiesen die Faltboote eigentlich eine zufriedenstellende Qualität auf, war es um das Zubehör nicht so gut bestellt. Spitzenbeutel waren zu klein und schnell porös, ebenso die Spritzdecken. Wer handwerkliches Geschick hatte und die Bezugsquellen für das benötigte Material anzapfen konnte, war fein raus.

Während meiner NVA-Dienstzeit bei der Marine in Peenemünde (1981-1983) habe ich den Oberstoff von selbstaufblasenden Rettungsinseln der Kriegsschiffe zu Paddeljacken und Kleidersäcken nach dem Vorbild von Heinz Zölzer verarbeitet. Es war vorgeschrieben, dass der Oberstoff der Rettungsinseln alle 2 Jahre ausgetauscht werden musste. Das ausgesonderte Material sollte dann eigentlich verbrannt werden. So habe ich der Umwelt, vor allem aber mir, einen guten Dienst getan.
Schwieriger, fast unmöglich, war es hingegen, einen leichten Trockentauchanzug (zweiteilig, mit Rollmanschette am Bauch) zu besorgen. Diese Anzüge hätten ja auch Fluchten über die Ostsee wesentlich erleichtern können. Aber auch hier half die sprichwörtliche Solidarität des "Kleinen Mannes". Gute Beziehungen zu den Tauchern, ein paar Flaschen Schnaps als Schmiermittel und fünf Minuten Angst am Kasernentor haben auch diesen Engpass überwunden.

Die Fahrten

Gepäckfahrt auf dem Greifswalder Bodden, Foto: Norbert Pagels 1977

Wir sind gepaddelt, was die Freizeit hergab. Es gab fast keinen schöneren Zeitvertreib, als mit dem Faltboot auf dem Bodden herumzutoben, Wellen abzureiten, zu segeln oder auf Gepäckfahrt zu gehen. Die Saison begann Mitte April und endete im Oktober eines jeden Jahres. Mit dem Aufkommen der Winterfahrten Ende der Siebziger Jahre gab es noch die eine oder andere Fahrt in der ganz kalten Jahreszeit - natürlich unter fürsorglicher Beobachtung.

Als ich am 27.12.1984 mit einer Kindergruppe eine Nach-Weihnachtsfahrt unternehmen wollte, sind wir mit Fahrrädern zum Bootshaus gefahren. An die Räder hatten wir unsere Paddel gebunden, da diese über Winter nicht im Bootshaus aufbewahrt wurden. Auf dem Weg zum Bootshaus fielen wir einem an einer Bushaltestelle wartenden Polizisten so stark auf, dass er unverzüglich zum Funkgerät griff. Im Bootshaus wartete dann schon der Wasserschutz auf uns. "Was haben Sie vor?" "Wir wollen paddeln." "Das geht nicht." "Warum?" "Es ist zum Paddeln zu kalt. Sie sitzen im Boot zu dicht über dem Wasser. Wenn Sie im Winter paddeln wollen, brauchen Sie Wattehosen." Stolz zeigte der Polizist auf seine Winteruniform "Ich HABE Wattehosen und ohne Wattehosen kommen Sie mir nicht aufs Wasser!"
Ich hatte weder Lust, die Fahrt abzublasen noch mit der Staatsmacht die Hosen zu tauschen. Letztendlich verhandelte ich einen Kompromiss. Wir paddelten ohne Wattehosen, aber auf dem Ryck, einem Fluss, der in den Bodden mündet.

Neben diesen spontanen Unternehmungen gab es auch offizielle Veranstaltungen, die im Fahrtenkalender des Deutschen Kanusportverbandes (der DDR) verzeichnet waren und auf den Boddengewässern stattfanden. Großer Popularität erfreute sich seit 1973 die "Stralsunder Boddenfahrt". Aus den südlichen Teilen der DDR reisten Kanuten per Bahn nach Stralsund. Von dort ging es meist unter Segeln nach Rügen, Hiddensee oder den Darss - natürlich auf der Boddenseite. In Stralsund wartete ein LKW-Fahrer in Telefon-Bereitschaft, der die Truppe nebst Booten am Ende wieder nach Stralsund expedierte.

Im Wesentlichen blieben jedoch die Kajaksportler im Norden unter sich. Lediglich die Kanu-Sektionen des Bezirkes Rostock, und hier insbesondere die vorpommerschen Kanuten, pflegten einen regen sportlichen Austausch auf Wanderfahrten, Pfingst-Zeltlagern und Faltbootregatten.

Das Fazit

Wenngleich Boote im Stil eines Eskimokajaks in der DDR nur aus dem Völkerkundemuseum bekannt waren, so hatten wir doch mit den Faltbooten hervorragende Sportgeräte zur Verfügung. Durch die intensive Auseinandersetzung mit der Natur der Boddenlandschaften, ihren Schönheiten und Gefahren haben wir, obschon unter Einschränkungen und politischen Widrigkeiten, unsere Art des Seekajaksports mit Genuss und Härte betrieben.
1989 versagten der DDR Kompass, Antrieb und Lenzpumpe. Am Strand wurden die Suchscheinwerfer ausgeknipst.

Aber nie wieder habe ich so viel Zeit zum Paddeln gehabt.

Und hier noch ein besonders dreistes Plagiat.

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