Die Greifswalder Oie

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Axel Dietrich "Greifswalder Oie" - Helgoland der Ostsee, Verlag Axel Dietrich, Peenemünde, 1993

Diese Insel beschäftigt mich seit meiner Kindheit. Allein der Name ließ mich als Greifswalder aufhorchen. Was hat der für Nichtkundige unaussprechliche Inselname (sprich "Eu") mit meiner Heimatstadt zu tun? Prägende Mystik naher und doch unerreichbarer Inseln im Greifswalder Bodden und - weit draußen in der Pommerschen Bucht - die Oie.
Die Boddeninseln Riems und Koos waren in der DDR-Zeit gesperrt für die Tierseuchenforschung. Auf der Insel Vilm (sprich "Film") machte die unsägliche "Nummer 1" der DDR gerne Urlaub. Der Vilm und umliegende Gewässer waren hermetisch abgeriegelt, denn mit Erich kam die halbe Staatsmacht zum Aufpassen. Die Insel Ruden, Rest einer in der Allerheiligenflut anfangs des 14. Jahrhunderts weggerissenen Landbrücke nach Rügen, war militärisches Sperrgebiet. Wie die "Friedensbewahrer" dort gehaust haben, kann man sich noch heute in den verlassenen Kasernenanlagen ansehen.
Als Kind konnte ich bei klarem Wetter die Oie beim Buddeln am Strand von Zinnowitz auf Usedom sehen, und mein Vater, dem ich im Vorschulalter ruhig drei Mal dieselbe Frage nach dem Leuchtturm stellen konnte, antwortete geduldig. Die Sehnsucht nach der unbekannten Insel haben wir geteilt.
Da ich ein Dreivierteljahr nach dem Mauerbau und der damit einsetzenden endgültigen Schutzverwahrung der DDR-"Bürger" geboren wurde, war die Oie so unerreichbar wie Tonga oder der Priwall.
Auch meine zweijährige Stationierung bei der Marine in Peenemünde, von wo aus die auf der Greifswalder Oie tätigen Soldaten versorgt wurden, änderte für mich nichts an dieser enttäuschenden Tatsache.
Gottlob ist dieser Spuk seit 26 Jahren vorbei, und ich hätte längst auf der Oie gewesen sein können. Da eine neue Freiheit jedoch meist neue, höhere Ansprüche erzeugt, war ich bis heute nicht dort. Denn ich will mit dem Kajak zur Greifswalder Oie paddeln. Aber mangels einer guten, auf die Eventualitäten einer solchen Unternehmung gut vorbereiteten See-Mannschaft habe ich bisher auf eine Überfahrt verzichtet - und solo will ich nicht.
So habe ich mir 1993 erst einmal für DM 7,80 das gerade edierte Heft "Greifswalder Oie - Helgoland der Ostsee" gekauft. Auf 48 gut bebilderten Seiten wird die Historie der Insel von der geologischen Enstehung über die landwirtschaftliche und militärische Nutzung bis zu Konzepten, die in die Gegenwart reichen, dargestellt.
Die Greifswalder Oie zog demnach seit dem Aufkommen des Bädertourismus an der pommerschen Ostseeküste großstadtmüde Feriengäste und Wassersportler an. Es waren aber auch Bewohner der Insel Usedom, die sich vor dem Trubel in ihren Wohnorten auf die Oie zur Erholung verzogen. Ab 1937 war die Insel militärisches Sperrgebiet, ein kurzes Intermezzo ziviler Nutzung folgte nach dem Krieg. Heute weckt die Greifswalder Oie verschiedene Begehrlichkeiten. So wollte Anfang der Neunziger Jahre in belgischer Bestattungsunternehmer die Insel als Stützpunkt für seine Seebestattungen kaufen.
Näheres ist bei der Lektüre dieses aufschlussreichen Heftes zu erfahren.
Noch besser wäre es jedoch, selbst mal zur Greifswalder Oie zu paddeln. Dann würde ich gerne mitkommen.

2002 hat sich dieser Traum zum ersten Mal erfüllt.

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